Pilotprojekte

In institutsübergreifenden Projekten bündelt sich die Expertise der Fraunhofer-Institute EMI, FOKUS, IOSB und IVI: Mit gekoppelten Simulationen werden die Entstehung und die Auswirkungen komplexer sozio-technischer Bedrohungs- oder Schadenslagen erfasst sowie Vorgehensweisen zur Stärkung der Sicherheit und gesellschaftlichen Resilienz abgeleitet. Jedes Pilotprojekt verfolgt eigene technische Schwerpunkte innerhalb des Ablaufs einer Krise (»Resilienz-Zyklus«) und ist verbunden mit einem exemplarischen Krisenszenario. Dadurch wird sichergestellt, dass die Simulationen gleichzeitig konkret-realitätsnah als auch generisch auf andere Lagen übertragbar sind.

Berlin bei Nacht von oben
Philipp Plum/ Fraunhofer FOKUS

Sichere Versorgungsnetze und Infrastrukturen 

Ziel ist die Entwicklung eines Systems, um bauliche und infrastrukturelle Vulnerabilität und Funktionsbeeinträchtigungen eines Stadtteils in einem Starkregenszenario virtuell darzustellen sowie darauf aufbauend Schadensprognosen vorzunehmen. Dies reicht von der Überflutung von Straßenzügen, die nicht mehr von Rettungseinheiten befahren werden können, über kritische Zustände bei Gebäuden, die eine unmittelbare Evakuierung erfordern, bis hin zum Ausfall von Kommunikations- und Versorgungsnetzen (Internet, Telekommunikation, Strom, Gas, Wasser). Dabei werden zum Beispiel Ausbreitungsgeschwindigkeiten der Störungen und kaskadierende Effekte, aber auch Maßnahmen zur unterbrechungsfreien Stromversorgung mittels Notstromsystemen und neue Warnmethoden für eine kurzfristige Interaktion mit der Bevölkerung untersucht. Als Ergebnis wird ein Demonstrator entstehen, der sowohl Rettungskräften und Einsatzführungsverantwortlichen zum Beispiel im Rahmen von Trainings und Schulungen zur Verfügung gestellt wird als auch BOS und Kritis-Betreibern zur Entscheidungsunterstützung oder als Moderationswerkzeug im Bereich städtebaulicher Planungen dient.

Wichtige Funktionen und Komponenten:

  • Visualisierung eines kritischen Szenarios, seiner Entwicklung und Auswirkungen auf Stadtteile sowie der Konsequenzen und Bevölkerungsreaktionen
  • Analyse der Extrembelastung für bauliche Strukturen
  • Untersuchung der Auswirkungen und kaskadierenden Effekte bei einer Störung bzw. dem Ausfall von Infrastrukturnetzen
  • Entwicklung einer Simulationsplattform zur Analyse künstlicher Lagen für Schulungen, als Trainings- oder Moderationswerkzeug, insbesondere zur Koordination von Rettungseinheiten

Einsatzkräfte in der Stadt bei Nacht
Philipp Plum/ Fraunhofer FOKUS

Schutz und Reaktionsfähigkeit von Einsatzkräften, Helfern und Bevölkerung

Ziel ist die Entwicklung einer Plattform zur Verbesserung des Schutzes und der Reaktionsfähigkeit von Einsatzkräften, Helfern und Bevölkerung in Extremwetterlagen. Das System unterstützt die Einsatzführung bei zeitkritischen operativ/taktischen Entscheidungen mit Echtzeitdaten, Simulationen und Visualisierungen der Lage sowie intelligenten Entscheidungsunterstützungs-algorithmen. Die Wirkung von Handlungsoptionen und Maßnahmen kann damit vorab analysiert und bewertet werden. Darüber hinaus wird die Plattform auch Funktionen für strategische Analysen (ex-ante) und Trainings bieten. Der Funktionsumfang übertrifft damit die bislang in der Gefahrenabwehr eingesetzten Command & Control-Systeme bei weitem, insbesondere durch die Integration von Simulationen, die bislang ausschließlich Fachexperten (zumeist offline) zur Verfügung stehen. Offene Schnittstellen der Plattform ermöglichen zudem, in kurzer Zeit neue Modelle, Algorithmen und Sensoren einzubinden. Außerdem sind die Komponenten und Systeme künftig für weitere naturbezogene oder anthropogene Sicherheitsszenarien (z.B. Stromausfälle infolge technischen Versagens oder Cyberangriffen, Waldbrände, Großveranstaltungen) adaptierbar.

Wichtige Funktionen und Komponenten:

  • Verbesserung der Lageaufklärung durch Nutzung von Echtzeitsensordaten und interpretierten Daten (z.B. aus Drohnenaufnahmen): Erkennung und Bewerten von Überschwemmungen, Zerstörungen, Befahrbarkeit, Verkehrsbewegungen oder Personengruppen.
  • Prognose der Lageentwicklung in den kommenden Stunden durch Nutzung von Simulationsmodulen: z.B. Modellierung von Kaskadeneffekten in gekoppelten KRITIS-Netzen, Beschädigungen an Gebäuden, Strommästen, Bäumen sowie Betroffenheit der Bevölkerung.
  • Anschauliche Lagevisualisierung durch Mapping aktueller Drohnenbilder auf vorhandene Landschaftsmodelle.
  • Entscheidungsunterstützung und Einsatzoptimierung für operativ/taktische Maßnahmen, z.B. für das Heranführen und Ablösen von Einsatzkräften.
Krisenstabsraum der Feuerwehr
Philipp Plum/ Fraunhofer FOKUS

Interaktive, virtuelle Lagevisualisierung

Ziel ist die Entwicklung eines Systems für die Einsatzplanung und Entscheidungsunterstützung bei der Vorbereitung, Prävention und dem Schutz von sicherheitskritischen Ereignissen wie Großveranstaltungen. Einsatzführungsverantwortliche können damit physische Schutzmaßnahmen im virtuellen Raum konzipieren und optimieren, zum Beispiel indem sie mobile oder stationäre Zufahrtsschutzsperren den möglichen Flucht- und Rettungswegen gegenüberstellen oder Anprallsimulation mit Autos bei terroristischen Anschlägen auf Basis dreidimensionaler Modelle des Einsatzortes simulieren. Integrierte Werkzeuge unterstützen die Planung und Kommentierung der virtuellen Einsätze und ermöglichen damit sowohl vorbereitende Maßnahmen als auch Debriefings und nachgelagerte Analysen. Eine vernetzte Multi-User-Virtual Reality-Umgebung vermittelt allen Teilnehmenden der Simulation ein gemeinsames, digitales, dreidimensionales Lagebild, ohne dass sie sich real in dieser Umgebung oder auch nur am selben Ort befinden müssen. Zudem können in der realen Welt unsichtbare Informationen im Lagebild visualisiert werden, zum Beispiel der Erfassungsbereich von Überwachungskameras oder die Lage von Versorgungsleitungen unter der Erde. Der entwickelte Demonstrator und die Simulationsergebnisse (z.B. aus Panikszenarien, kritischen Situationen, physische Schutzmaßnahmen) stehen Crowd-Managern sowie Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) für Lageerkundungs-, Trainingszwecke und Gefährdungsanalysen zur Verfügung.

Wichtige Funktionen und Komponenten:

  • Simulation künstlicher Lagen.
  • Aufbau (aktueller) dreidimensionaler Modelle.
  • Konzeptionierung physischer Schutzmaßnahmen.
  • Optimierung des Einsatzes von Kräften und Mitteln.
  • Analyse und Optimierung von Kommunikationsnetzinfrastrukturen.

Absperrungen beim Christopher-Street-Day in Frankfurt/Main
Philipp Plum/ Fraunhofer FOKUS

Kommunikations- und Handlungseffizienz

Ziel ist die Entwicklung eines Systems zur virtuellen Planung und Bewertung von Sicherheitskonzepten für Großveranstaltungen, insbesondere hinschlich der Kommunikations- und Reaktionsfähigkeit der Veranstalter und verantwortlichen BOS. Im Zentrum stehen dabei die Planung von Kommunikationsmitteln, das Testen und Optimieren von Kommunikationsstrategien in kritischen Situationen sowie die Schulung von Mitarbeitenden. Das System nutzt dafür agentenbasierte Simulationen, mit denen Besucherströme und deren Reaktion auf kritische Situationen durchgespielt und analysiert werden können. Grundlage dafür ist ein Modell der Verhaltensparameter und zur Verfügung stehenden Warnmittel (zum Beispiel hinsichtlich Hör- und Sichtbarkeit), womit Personendichte und individuelle Handlungen nach Eintreten der Gefahrensituation erfasst werden. Um einen besseren Lageüberblick zu bekommen, wird die Simulation nicht nur im 2D-, sondern auch im virtuellen 3D-Raum dargestellt und von intelligenter Bild- und Videoauswertung, Lagevisualisierungen und -analysen flankiert. Die erforschten Warnmittel und die definierten Verhaltensmodelle sind übertragbar auf andere Szenarien, wie kritische Situationen in Flughäfen, Bahnhöfen oder Krankenhäusern.

Wichtige Funktionen und Komponenten:

  • Verhaltensparameter und die Reichweite von Warnmitteln.
  • Kommunikationssystem zur Entscheidungsunterstützung.
  • Agentenbasiertes Simulationssystem für Besucherströme.
  • Intelligentes Videoanalysesystem für das Crowd Monitoring.
  • Visualisierung von Simulationsdaten im 2D und 3D Raum.